Zürich, 27. September 2021 - Mit der Unterzeichnung der UNO-Behindertenrechtskonvention durch die Schweiz 2014 haben Menschen mit Behinderung das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, Arbeiten und Wohnen mitten in der Gesellschaft. Doch viele warten noch immer auf die Umsetzung dieses Rechts. Der Verein leben wie du und ich will das ändern und startet heute die Informationskampagne «Selbstbestimmtes Leben».
«Umfragen zeigen: Die meisten Menschen mit Behinderung möchten ihr Leben selbstbestimmt in einer eigenen Wohnung führen», sagt Jennifer Zuber vom Verein leben du und ich. «Doch das ist für viele noch nicht Realität. Das wollen wir unter anderem durch Aufklärung mit unserer Kampagne ändern.»
Diversität und Selbstbestimmung - entscheidende Themen des 21. Jahrhunderts
Vor bald 10 Jahren gab es mitten in Zürich ein paar Leute die gesehen haben, dass das neu verabschiedete Gesetz über den Assistenzbeitrag als «Alternative zum Heim» für die meisten Menschen mit Behinderung nicht umsetzbar sein wird und dass damit eine über 30jährige Hoffnung auf selbstbestimmtes Leben für viele begraben wird. Das neue Lebensmodell war von Beginn an stark unterfinanziert und es wurden entscheidende Bereiche – die in den Heimen finanziert werden – vergessen. In dieser schweren Stunde wurde der Verein leben wie du und ich gegründet. Dieser hat in den darauffolgenden Jahren mit fünf Menschen mit Behinderung ein Modell entwickelt, in dessen Zentrum ein mobiler Unterstützungsdienst für Management und Organisation von Assistenz steht. Damit zeigt der Verein praktisch auf, wie das Leben mit Assistenz gelingen kann. Unzählige Menschen und viele Stiftungen haben dieses Vorhaben unterstützt, da Diversität und Selbstbestimmung entscheidende Themen des 21. Jahrhunderts sind. Das Interesse der Öffentlichkeit 2015 bei dem Auszug aus dem Heim von fünf Menschen zwischen 28 und 40 Jahren war enorm.
Heute steht das Modell: Menschen mit und ohne Behinderung unterschiedlichen Alters und Berufs und unterschiedlicher Herkunft leben zusammen. Damit werden vielfältige und inklusive Lebensformen möglich: als Paar, als Single oder in einer WG. Die Bewohnenden sind sich auch nach 6 Jahren einig, dass sie nicht zurück ins Heim möchten. Ein Expertenteam des Instituts für Integration und Partizipation der Fachhochschule Nordwestschweiz begleitete die Pilotphase des Modellprojekts und erstellte eine Studie [1]. Als Fazit stellt die Studie fest, dass «das Projekt (...) den Projektteilnehmenden ein weitgehend selbstbestimmtes und normalisiertes Leben ermöglicht und damit wesentlich zur Verbesserung und Entfaltung der Lebensqualität beiträgt.»
«Menschen, die selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben wollen und das nicht realisieren können: Das darf eigentlich im Jahr 2021 nicht mehr sein.»
Es ist an der Zeit, dieses erfolgreiche Modell bekannt zu machen und es zu vervielfältigen. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung ist seit 2012 verbrieftes Gesetz [2]. «Wir können und wollen nicht länger warten, dass Menschen mit Behinderung genau wie wir ihr Recht wahrnehmen können, inmitten der Gesellschaft zu leben», sagt Vizepräsidentin Adelheid Arndt. «Menschen, die selbstbestimmt leben wollen und das nicht realisieren können: Das darf eigentlich im Jahr 2021 nicht mehr sein.»
Die Schweiz in einer Vorbild-Rolle für selbstbestimmtes Leben mit AssistenzDas grosse Interesse an den fünf Menschen, die den Mut hatten, dieses neue Lebensmodell trotz aller Hindernisse gemeinsam mit dem Verein auszuprobieren, bewegt den Verein dazu, mit diesem erfolgreichen Modell eine Informationskampagne zu starten, die beitragen soll, dass aus einem Nischenprodukt eine Normalität wird für viele Menschen. Damit kann die Schweiz in Europa eine Vorbildrolle übernehmen – vor allem durch die Verankerung von kleinen, gemeindenahen Unterstützungszentren. Die Informationskampagne hat zum Ziel, über Informationsarbeit, Facebook und Instagram, Bilder, Videos, Email- und Twitteraktionen sowie Onlineinformationen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten in der Bevölkerung zu verankern und so breit abzustützen und flächendeckend umzusetzen.
«Zur Realisierung dieses Anliegens brauchen wir die Unterstützung aller», sagt Jennifer Zuber, Projektleiterin des Vereins. «Jede und jeder kann mit einem Klick mithelfen, eine echt inklusive Gesellschaft endlich wahr werden zu lassen. Je mehr Menschen sich zum Beispiel als Unterstützerinnen und Unterstützer auf der Website eintragen, desto breiter können wir informieren.» Der Verein hat zudem ein Crowdfunding aufgesetzt, bei dem Spendende selbst aktiv werden und die Kampagne mittragen können.
Leben mit Assistenz: Trägerschaft nötig
Die Grundlagenarbeit ist gemacht, die Machbarkeit bewiesen. Jetzt braucht es die entsprechende Ausweitung und Trägerschaft, so dass Organisationen wie der Verein leben wie du und ich und andere Menschen mit Behinderung unterstützen können, ihre Rechte wahrzunehmen. Jennifer Zuber: «Selbstbestimmung ist für Menschen mit Behinderung - wie für uns alle - erklärter Wunsch. Wir werden mit unseren Projekten und mit der Kampagne ‚Selbstbestimmtes Leben‘ alles daran setzen, dies wahr zu machen.»
Für Auskünfte und Interviews:
Adelheid Arndt und Jennifer Zuber
Projektleitung Verein leben wie du und ich
info@lebenwieduundich.ch
044 533 79 01
Der Verein leben wie du und ich unterstützt Menschen mit einer komplexen Behinderung in ihrem Bestreben, frei, normal und selbstbestimmt in der Gesellschaft zu leben. Er bezweckt die Unterstützung von komplex behinderten Menschen, welche mit Assistenz leben. Die Unterstützung erfolgt bedarfsgerecht für selbstbestimmte Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten in der Schweiz.